Wo ist Kuschelhase?

Heute Abend beim Schlafengehen merkte Lukas, dass ihm etwas ganz wichtiges fehlte: sein Schlafhase. Sein blauer Hase mit den langen hellblauen Ohren und einem wundervoll weichen Bauch.
Lukas nahm ihn jeden Abend mit in sein Bett und kuschelte sich mit ihm unter die warme, weiche Bettdecke. Der Kuschelhase wohnte schon lange bei Lukas. Sie gehörten zusammen und Lukas war noch nie von ihm getrennt gewesen. Lukas mochte ihn wirklich sehr.
Und jetzt konnte er seinen Schlafhasen nicht finden, dabei war Lukas müde und freute sich auf sein Bett. Er suchte überall: auf dem Sofa, unter dem Sofa, in der Spielzeugkiste, in der Küche, sogar unter dem Esstisch: Nichts! – Sein Hase war nicht zu finden.
Lukas dachte nach – wirklich sehr lange und ihm fiel ein: Er war am Nachmittag bei Isa gewesen. Es war zwar schon spät, aber er rief trotzdem Isa an und fragte voller Hoffnung: „Isa, mein Kuschelhase ist weg. Ist er bei dir?“
„Nein“, hörte er Isa sagen „Wir haben gerade aufgeräumt. Er ist nicht hier.“ „Bist du ganz sicher?“ fragte Lukas, er wollte die Hoffnung nicht aufgeben. „Ja ganz sicher! Meine Mutter ruft, ich soll schnell ins Bett. Tschüss Lukas.“ „O.K.“, Lukas Stimme wurde leiser, „Tschüss“.
Doch das hörte Isa nicht mehr. Sie hatte schon aufgelegt.

Er wusste, es war schon lange Schlafenszeit und er hatte seinen Kuschelhasen nicht gefunden. Er war weg. Lukas fühlte eine große Traurigkeit. Als er zu seinem Bett kam, sah es so leer aus. Sein Hase fehlte ihm. Alles war anders ohne ihn. So schrecklich anders, nichts war so wie vorher. Lukas kuschelte sich heute besonders lang bei seinem Vater an und er fragte ihn:
„Papa, finden wir ihn wieder?“ Und sein Vater antwortete: „Lukas, ich weiß es nicht.“
Und sie kuschelten noch ein wenig länger, dann deckte er ihn besonders liebevoll zu und ging hinaus. Lukas lag allein in seinem Bett und fühlte, wie anders alles war. Kein weicher Kuschelhasenbauch an seiner Wange. Lukas fühlte sich so allein ohne ihn, dass ihm Tränen über die Wangen liefen, bis er endlich einschlief.

Am nächsten Morgen sprach Lukas nicht viel – auch nicht mit Isa, so tief traurig und bekümmert war er. Isa hatte am Gartentor
auf ihn gewartet. Es regnete. Die Tropfen fielen auf den Gehsteig und der Himmel war von wintergrauer Farbe – doch all das hörte und sah Lukas nicht. Es interessierte ihn auch nicht. Er war noch immer erfüllt von seiner Trauer. Es war ein bisschen, als würde mit seinem Kuschelhasen ein Teil von ihm selbst fehlen.
Nachdem sie eine Weile gegangen waren, hielt Isa ihn sachte an:
„Schau“, sagte sie zu Lukas und öffnete ihre Hand, „die habe ich gestern für uns gefunden.“
Lukas sah zwei schwarze Perlen in ihrer Hand.
„Ich finde“, sprach Isa weiter, „sie passen gut, wenn etwas so traurig ist, dass die Welt in manchen Augenblicken gar nicht mehr bunt und schön aussieht.“
Sie legte eine der Perlen in Lukas Hand. Lukas betrachtete sie schweigend und ließ sie dann behutsam in seine Hosentasche gleiten.

   

Für die eigene Arbeit

Hinweise zur Perle

Eine schwarze „Perle der Nacht“ hat im Perlenkranz ihren Platz direkt nach den drei Geheimnisperlen. Die Geschichte vom verlorenen Kuschelhasen gehört dieser Perle. Die Perle der Nacht erzählt von allen Momenten des Lebens, in denen es Nacht um einen Menschen ist. Situationen von Traurigkeit, von Abschied und Tod können mit ihr in Verbindung gebracht werden.

Für viele Menschen ruft schon die Farbe der Perle Erinnerungen an Tod, Trauer und Verluste, an dunkle und bedrückende Zeiten des Lebens wach. Die Empfindung und Bewertung von Situationen, die das Leben dunkel machen, ist sehr individuell und kann manchmal von Außenstehenden gar nicht angemessen eingeschätzt werden. Von einer „Situation der Nacht“ erzählt die Geschichte von Lukas und dem verlorenen Kuschelhasen. Der Kuschelhase ist für Lukas ein wichtiger Lebensbegleiter. So etwas ist für Menschen jungen Alters oft sehr gut nachvollziehbar. Das Tier, das Schnuffeltuch, der Lieblingsschnuller, viele Kinder haben solche Begleiter, die gerade im Übergang zwischen Tag und Nacht von zentraler Bedeutung sind und die Erwachsene manchmal gar nicht recht ermessen können.

Vermutlich können sich Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter daher leicht in das Erleben und Empfinden Lukas hinein versetzen und wissen wie es sich anfühlt, wenn dieser wichtige Begleiter nicht da ist. Vielleicht kennen sie die Gefühle der Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit, die mit einem solchen Verlust einhergehen können. Vielleicht sind auch Kinder dabei, die große Verluste anderer Art kennen und mit Tod, Trennung oder endgültigen Abschieden Erfahrungen haben. Ihre Erlebnisse können im Zusammenhang mit der Perle der Nacht einen Ausdruck finden.

Methodische und didaktische Ideen

Alle Materialien und Medien zur Perle dürfen für die eigene Arbeit verwendet werden. Auch zu dieser Perle gibt es eine Bildkarte, die farbig auf A3 gedruckt, in das klassische Erzähltheater (Kamishibai) passt. Hinzu kommt ein Mandala und ein Ausmalbild. Beides kann je nach Bedarf verwendet werden.

Vor der Geschichte kann ein Symbol als Impuls herumgegeben werden. Je nach Situation in der Gruppe kann es eine aus Karton ausgeschnittene Träne oder auch ein schwarzes Tuch sein. Erste Eindrücke und Emotionen in Bezug auf das Symbol können eingebracht werden.

Im Anschluss an die Erzählrunde kann das Geschichtenbild betrachtet werden und die Kinder können Situationen benennen, die sie mit dem Bild in Verbindung bringen: „Was ist da geschehen?“ „Wie fühlen sich Lukas und sein Vater?“

Dann kann die Geschichte frei erzählt oder vorgelesen werden.

Im Nachgang der Geschichte sind mehrere Vertiefungen denkbar. Gesprächsimpulse können dabei in unterschiedliche Richtungen führen: „Hast Du schon mal etwas ganz Wichtiges verloren?“ „Was machst Du, wenn Du traurig bist?“ „Lukas Papa tröstet Lukas, als der Hase weg ist. Wer tröstet Dich?“ „Wie lange dauert eigentlich Traurigsein?“ – dies oder noch weitere Impulse können Richtungen für die weitere Auseinandersetzung andeuten, die nicht nur verbal, sondern auch gestalterisch erfolgen sollten.

Die vorrangingen Emotionen und Erfahrungen der Geschichte liegen in der Traurigkeit und der Hoffnungs-(losigkeit), dem Abschied, aber auch im Getröstetwerden.  Die Geschichte und Perle „passt“ damit in unterschiedliche Zeiten des Kindergarten- und auch Kirchenjahres. Im Sommer ist es der Abschied von den Schulkindern, im Herbst der Abschied vom Sommer, in der Passionszeit der Abschied und die Traurigkeit, die mit den biblischen Erzählungen der Passion Jesu in Verbindung stehen und die in vielen Kitas erzählt werden. Und natürlich kann die Perle der Nacht immer dann zum Thema werden, wenn ein Kind in der Gruppe gerade „Nacht“ erlebt.


Downloadbereich

Die Bildkarte

Die Geschichte mit Bildelementen, Die Geschichte als word-Dokument (ohne Bilder)

Die Stille-Bilder: das Mandala, das Geschichtenbild

Die Geschichte zum Anhören