Ein neuer Frühling
Isa und Lukas lagen im Gras zwischen all den Wiesenblumen im Garten von Sophia und sahen in den Himmel. Es war wieder Frühling und schon wunderbar warm. Der Garten war zu neuem Leben erwacht, die Obstbäume reckten ihre hellgrünen Blätter zur Sonne und die Vögel sammelten kleine Ästchen für ihre Nester. Einige Wolken wurden sacht vom Wind über den blauen Himmel gepustet und veränderten immer wieder ihre Form. Isa und Lukas spielten das Wolkenspiel.
„Ich sehe einen Delphin. Rate, wo er ist.“
„Hm, warte“, Lukas schwieg einen Moment und suchte den Himmel ab. „Hab ihn“, er zeigte mit dem Finger in die Wolken.
„Genau“, lachte Isa, „du bist!“
Lukas schwieg. Und dann, so dass Isa sich erschrocken aufsetzte, sprang er plötzlich auf, reckte seinen Arm in den Himmel und rief mit aufgeregter Stimme:
„Mein Kuschelhase ist am Himmel. Da! In dieser Wolke hier drüben. Siehst du ihn? Da oben.“
Er zeigte mit dem Zeigefinger in die Richtung der Wolke.
„Tatsächlich“, rief Isa erstaunt, „ich kann ihn auch deutlich sehen.“
Lukas freute sich. Seinen echten Kuschelhasen hatte er damals nicht wiedergefunden und Lukas war darüber sehr traurig gewesen. In manchen Augenblicken war er es jetzt noch. Wenn er schlafen ging, nahm er jetzt einen buntkarierten, weichen Stoffhund zum Kuscheln. Sie hatten sich schon aneinander gewöhnt. Er hatte dem Stoffhund an einem Abend beim Einschlafen sogar von seinem blauen Kuschelhasen erzählt. Und der kleine Hund hatte Lukas aufmerksam zugehört.
Es war zwar anders als mit seinem Hasen, aber mit dem Stoffhund konnte Lukas auch ganz gut einschlafen. Lukas freute sich sehr über seinen Hasen am Himmel. Es war, als hätte der Kuschelhase einen Platz gefunden.
Als sich die Wolkenformation langsam auflöste, war es, als würde sein Hase ihm zuwinken.
„Jetzt wissen wir endlich, wo er ist“, sagte Isa.
„Ja, das wissen wir nun“, gab Lukas zurück „und in meiner Erinnerung bleibt er natürlich auch. Für immer.“
Er schwieg einen Augenblick.
„Wollen wir zu Sophia gehen? Jetzt mag ich nicht weiterspielen.“
„Einverstanden“, antwortete Isa und sie schlenderten zum Apfelbaum, unter dem sich inzwischen ein leckerer Kuchenduft ausbreitete.
Taffy und Kasimir hatten den Duft anscheinend auch gerochen und saßen bereits erwartungsvoll auf einem der Stühle und maunzten. Mo und Flöckchen waren unterwegs. Sophia hatte ein Tablett mit frischem Gebäck und Getränken auf den Tisch gestellt. Sie hatte auch ein Schüsselchen mit Leckerlis für die Katzen mitgebracht. Während sie es sich zu fünft unter dem großen Apfelbaum gemütlich machten, erzählte Lukas von der Kuschelhasenwolke am Himmel.
Später fragte Sophia: „Seid ihr fertig? Dann lasst uns das Geschirr zusammenstellen, ich möchte Euch etwas zeigen.“ Sie sah die beiden an: „Ihr habt sie doch mit?“
Lukas und Isa nickten.
„Gut“, sagte Sophia.
Auf den freigewordenen Platz stellte Sophia zwei runde Schalen, die innen in goldener Farbe schimmerten, wie die kleine Quelle in Sophias Garten.
„So“, sagte Sophia feierlich „dann legt sie mal hinein.“
Isa begann in der Hosentasche zu kramen, Lukas zog eine Streichholzschachtel hervor und leerte sie in eine der Schalen aus. Isa tat ihre Perlen in die andere.
„Sind das alle?“, fragte Sophia. „Sonst wirkt der Zauber nicht.“
Die beiden nickten gespannt. Was würde das wohl werden?
Sophia öffnete langsam ihre Hand. Zum Vorschein kamen zwei weiße Perlen. Die Frühlingssonne, mit der das Leben des Gartens wieder erwacht war, ließ diese Perlen erstrahlen. Sophia legte die Perlen dazu, schloss einen Moment die Augen und blies sachte über beide Schalen hinweg.
Lukas und Isa bekamen große Augen und staunten: Die gesammelten Perlen bildeten wie von selbst einen Kreis. Jede hatte ihren Platz und gehörte dazu.